Auf keinen Fall singen? Auf jeden Fall singen? – Chorgeschehen und Long-Covid-Syndrom
Mehr und mehr rückt das Thema Long-Covid-Syndrom in den öffentlichen Blick. Die Anzahl derjenigen, die, obwohl als genesen bezeichnet unter den langfristigen Folgen einer Corona Infektion leiden, nehmen zu. Gemeint sind auch Menschen, die nicht unbedingt einen schweren Verlauf hatten. Welche Folgen sind gemeint? Man spricht über schnelle Erschöpfung, Luftnot, ungewohnte Müdigkeit – die große Fatigue eben, Wortfindungsschwierigkeiten usw. Es wichtig, sich unbedingt medizinische Hilfe zu suchen, aber auch, nicht damit allein zu bleiben und sich mit ebenfalls Betroffenen auszutauschen. So wird es im eigenen Freundeskreis erzählt, aber auch prominente Mitmenschen berichten.
Singen und Atmen gegen das sogenannte Long-Covid-Syndrom!
Die Sängerin und Schauspielerin Marianne Faithful, Rockikone, Künstlerin, bekannt für ein sehr facettenreiches Leben, entging knapp dem Tod infolge einer Covid19 Erkrankung. Sie ist genesen, aber gesund ist sie nicht. Wie andere Genesende auch, hat sie eine Schädigung der Lungen zurückbehalten, die u.a. mit einer Einschränkung der Atemfunktion einhergehen kann. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (30.04/1./2. Mail 2021) spricht sie darüber. Sie antwortet auf die Frage, ob sie wieder versucht hat zu singen: „Als Therapie, ja, … einmal in der Woche … Es ist tatsächlich eines der besten Dinge, die man für seine Lungen tun kann., es kräftigt sie. In den Kliniken hier (Anm.: Großbritannien) singen sie überall mit den Covid-Patienten, in Deutschland vielleicht auch.“ Tatsächlich tun sie das.
Nachdem die Londoner Oper mit dem Projekt „Breathe“ im Februar diesen Jahres schon mit gutem Beispiel vorangegangen ist, legen die Hamburger seit April mit einem neuen Projekt der sozialmedizinischen Patientenrehabilitation nach. Sänger/innen der Hamburger Staatsoper helfen in Kooperation mit dem UKE Covid-19-Patienten/innen in digitalen Coachings, beim Training ihrer geschwächten Atemmuskulatur. Durch Atemübungen soll sie wieder aufgebaut und dadurch die Luftnot reduziert werden.
Singen im Chor, das geht noch nicht, aber…
Was wir fast am wenigsten dürfen, was uns fast am besten tut, ist untersagt und vielleicht noch länger nicht möglich: „Singen“ im Chor. Aber war es nicht schon immer eine innige Beziehung, die zwischen Atmen und Singen? Seit über einem Jahr berichtet das Chorportal nicht mehr so recht über Live-Veranstaltungen. Neben Online- und neuen Themen stehen die existenziellen Sorgen aus der Chorszene im Mittelpunkt, von den finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten bis hin zu didaktischen und/oder kreativen Überlegungen zur Durchführung von Zoom- und anderen Online-Sessions mit Chören – oder was ihnen noch übrig ist. Corona und Singen, das ist ein solcher Spagat, aber vielleicht gibt es auch neue Aspekte? Über kurz oder lang werden Choristen/innen zurück in die Chöre kommen, die sich mit Covid-19 angesteckt hatten, als Genesende noch an den Langzeitfolgen leiden und Unterstützung benötigen. Kann ein Chor, können Chorleiter/innen an dieser Stelle unterstützen? In den vierzehntägigen Chorleiter-Brunchs des Chorportals geht es sehr oft um Perspektiven. Wie halten wir durch, wie können wir die chor- und probenlose Zeit sinnvoll überbrücken, welche Ideen gibt es noch? Chorleiter/innen beschreiten viele neue Wege, und sind sie nicht die Spezialisten/innen für Atemtechnik & Co.?
Gertrud Krapp
Kleine Auswahl weiterführender Informationen:
- Blick in einen Artikel der Süddeutschen Zeitung zu “Breathe” https://www.sueddeutsche.de/panorama/corona-long-covid-opernsaenger-atmung-1.5205794, Ansatz: „Singen wurzelt im Atmen“, sagt Jenny Mollica. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, zu singen, sondern darum, wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man Zwerchfell und Lunge effektiv einsetzt.“
- Blick in die Londoner Oper https://www.youtube.com/watch?v=yX1z_LneMAo&t=8s
- Blick auf die Hamburger Staatsoper und das UKE https://hamburg-news.hamburg/standort/staatsoper-und-uke-unterstuetzen-long-covid-patientinnen „Der Einsatz der Sängerinnen und Sänger erfolgt ehrenamtlich. Zwei Mal pro Woche (Anm.: Zunächst 6 Wochen insgesamt) treffen sie sich virtuell mit den Patientinnen und Patienten zu dreißigminütigen Einzelcoachings, mit dem Ziel, die Luftnot zu reduzieren, die Atemfunktion zu erhöhen und das Wohlbefinden langfristig zu verbessern.“