Foto: Bina Engel
Interview

Interview Sörin Bergmann

Ihr Chor – die Gospolitans – erreichte beim Deutschen Chorwettbewerb in Freiburg den 3. Platz in der Kategorie Populäre Chormusik mit Trio. Sie selbst wurde vom Deutschen Musikrat mit dem Sonderpreis 
als „Best Choir Leadership” ausgezeichnet. – Grund genug, Sörin Bergmann zum Interview zu treffen.

Wie bist du zur Musik gekommen?

Ich hatte ein sehr musikalisches Elternhaus. Meine Mutter war Dozentin an der Leipziger Universität und hat Musiklehrer ausgebildet. Mein Vater konnte wunderschön Flöte spielen, er war eigentlich Sportdozent und ich saß mit fünf Jahren das erste Mal am Klavier.Meine Mutter hat gesehen, dass ich da Talent habe und war dann sehr beharrlich darin, mich zu fördern.

Singen  macht glücklich! Stimmt das aus deiner Erfahrung?

Ja,das stimmt. Da muss man nur mal in Konzerte gehen um das zu erleben,oder auch in die Proben. Es ist manchmal schwierig, wenn die Chormitglieder von der Arbeit kommen. Dann muss man als Chorleiter manchmal erst mal so ein bisschen Animation machen. Aber wenn sie dann ein Stück singen, was sie lieben, dann fangen die Augen an zu strahlen. Ein schöneres Geschenk gibt es nicht für Chorleiter.

Wie erklärst du dir den derzeitigen Chor-Boom?

Ich glaube, das liegt ein bisschen an den Strukturen in der Gesellschaft.Singen ist inzwischen auch anerkannt als Methode, die einen etwas glücklicher macht, als nur technisch irgendwie vor irgendwelchen Computern zu sitzen Außerdem sind die gesellschaftlichen Kontakte wichtig, da verarmen wir gerade ein bisschen und Chöre bieten eine wunderbare Plattform für den menschlichen Umgang miteinander. Du kannst nicht singen, wenn du nur technisch denkst. Das geht einfach nicht. Du musst Emotionen rauslassen und das fehlt unserer Gesellschaft.Deswegen boomen glaube ich Chöre.


Was müsste sich eurer Meinung nach ändern, damit mehr Kinder und Jugendliche in Chören singen?

Ich glaube, da muss die Stilrichtung stimmen. Mit Klassik kommt man da nicht weit genug. Da könnte man auch mal etwas Moderneres ausprobieren, vielleicht mal einen Rap oder mehr rhythmusbetonte Songs?  Ich würde einfach mal sagen: gucken wir doch mal nach Dänemark!

Es gibt seit einiger Zeit immer mehr Projekte mit Mega-Chören. Glaubst du, dass solche Projekte die Chorszene beeinflussen werden und wenn ja, wie?

Ich halte das auf jeden Fall für eine gute Entwicklung. Die Qualität des Chorgesangs sollte nicht überall eine Rolle spielen. Es gibt halt verschiedene Klassen im Singen und Singen sollte eigentlich kein Wettbewerbssport werden. Das kann es, wenn der Chor es mitträgt und wirklich dahinter steht, aber die andere Ebenen finde ich auch verdammt wichtig. Da ist so ein Männerchor wie die Hamburger Goldkehlchen ein herrliches Forum um einfach los zu gehen und zu singen. Auch sie sind dabei glücklich und um etwas anderes geht es nicht. Emotionen, glücklich sein, einfach etwas rauslassen von sich – das finde ich wunderbar!

Was macht deiner Meinung nach eine gute Chorleitung aus?

Als ich angefangen habe, einen Chor zu leiten, habe ich gedacht, ich kann nur Musik machen. Ich bin dann ganz schnell eines Besseren belehrt worden, nämlich dass man ein halber Psychologe werden muss, um einen Chor – vor allem über eine längere Zeit – zu führen.

Einen Workshop zu leiten, ist kein Problem. Da kommen alle hin, haben Spaß und sind begeistert von der Musik. Aber einen Chor über 10 Jahre zuhalten und mit ihnen durch Höhen und Tiefen zu gehen, da bedarf es tatsächlich viel Einfühlungsvermögen.

Ich bin meinen Chören zum Teil sehr dankbar. Ich habe ein Netz aufgebaut, wo ich dann Feedback aus dem Chor bekomme. Ich brauche das Feedback aus dem Chor und dann kann man auf Probleme auch eingehen.

Du leitest insgesamt drei Chöre. Was sind das für Chöre und was macht sie aus?

Im Moment habe ich drei Chöre. Das ist auch eine ganz gute Zahl. Die Chöre haben verschiedene Stufen.

Es gibt einmal den Einsteigerchor, wo man eben auch singen kann/singen darf, ohne dass man irgendwelche Vorbildung hat. Singen an sich hat ja keine Norm. Also ein Joe Cocker wird wahrscheinlich kein besonders toller Chorsänger werden, aber das muss ja auch nicht überall gegeben sein. Deswegen gibt es den Einsteigerchor, wo jeder singen darf, der möchte. Dieser Chor tritt aber nicht auf.

Sobald ich mich mit einem Chor in die Öffentlichkeit begebe, möchte ich auch gerne mit meiner Persönlichkeit bestimmte Werte weitergeben.

Einen Chor habe ich schon sehr lange, das sind die Monday’s. Das ist ein Pop- und Gospelchor, der nächstes Jahr 25 Jahre besteht. Da hat es sich in den Jahren immer weiter und weiter entwickelt. Das braucht allerdings seine Zeit, damit die Chormitglieder den Spaß nicht verlieren. Du musst die Sänger ja ständig bei „Laune“ halten. Sie bezahlen einen Beitrag bei mir und wenn ihnen die Proben bei mir nicht gefallen, dann gehen sie nach Hause und ich bin arbeitslos.

Und dann gibt es noch die Gospolitans. Den Chor habe ich ein bisschen später gegründet, schon auch mit dem Anspruch, Gospel zu singen. Aber aus dem Chor war dann so eine große Kraft zu spüren, dass sie mehr wollten und dass sie auch zuhause übten und sich auch außerhalb der Proben getroffen haben.

Dieser Chor wollte gern zum deutschen Chorwettbewerb fahren. Da dachte ich dann: „Na gut, wenn sie das wollen und dahinter stehen, dann kriegen wir das auch hin.“ Aber ohne die Energie des Chores schafft man so etwas nicht. Man kann das als Chorleiter nicht diktieren, sondern sollte mit dem Chor gemeinsam etwas aufbauen.

Tanja Schneider

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