Interview mit Harald Krösser
Warum Harald Krösser sich als Chorleiter oft als Gärtner fühlt und welche Herausforderungen die Leitung des Projektchors von Clouds of Voices für das Pop-Oratorium „Luther – Das Projekt der 1000 Stimmen“ mit sich bringen, lest ihr in unserem Interview mit ihm.
Singen macht glücklich! Stimmt das aus deiner Erfahrung?
Unbedingt! Die Momente, in denen ich mit anderen Menschen mehrstimmig singe, gehören zu den Augenblicken, in denen ich mich am lebendigsten fühle. Diese Lebendigkeit bleibt oft lange in meinem Körper und belebt meinen Alltag, auch aus der Erinnerung. Ich singe oder summe in jeder Stunde und bin oft überrascht darüber, wie viel mir meine inneren Töne über meine Stimmung verraten. Töne zu hören macht mich oft andächtig, Töne zu singen macht mich meistens glücklich.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Ich hatte schon als Kind eine große Neugier auf Tasteninstrumente. Als irgendwann ein Akkordeon in unserem Wohnzimmer stand, drückte ich auf die Knöpfe und zog den Balg auseinander. Es war Liebe auf den ersten Ton. In meiner Jugend faszinierten mich neben den PetShopBoys und Herbert Grönemeyer besonders mehrstimmige Popstücke und geistliche Chormusik. Als ich dreiundzwanzig Jahre alt war, entschloss ich mich, das Akkordeon in meinem Lehramtsstudium zu priorisieren. Und im Studium sang ich dann auch das erste Mal in einem Chor. Das war ein Wendepunkt.
Was macht dir an deiner Chorleitertätigkeit am meisten Spaß?
Das ist schwer zu sagen. Mir wird nachgesagt, dass ich gut arrangieren und präsentieren kann. Und beides macht mir Spaß. Und alles, was auf dem Weg dazwischen liegt, auch: Anleiten, zuhören, vorfühlen, verbinden, verfeinern, präzisieren, aufbauen, staunen. Ich kann mir keinen vielseitigeren Prozess vorstellen, der so viel Menschliches verlangt und hervorbringt. Und all das bedeutet für mich Lebensfreude.
Wie würdest du dir „deinen“ Chor aussuchen in dem du selbst singen möchtest?
Meine Zielvorstellung ist ein semiprofessionelles, vier- bis achtköpfiges Ensemble, dessen Mitglieder in häuslicher Arbeit eigenständig annähernd auswendig lernen und die Ergebnisse dann in der Probe gemeinsam zusammenführen. Mein bevorzugter Musikstil wäre das Pop- und Rockgenre.
Was müsste sich ändern, damit mehr Kinder, Jugendliche und Erwachsene gefallen am Chorgesang finden?
Ich bin davon überzeugt, dass die Berücksichtigung von Musikvorlieben und die Würdigung von Lernleistungen wichtige Pfeiler sind, auf denen junge Menschen eine Beziehung zu ihrer Stimme aufbauen können. Und ich bin davon überzeugt, dass mehr erwachsene Menschen den Weg in einen Chor finden, wenn sie als Heranwachsende eine gute Beziehung zu ihrer Stimme finden konnten. Doch leider ist es so, dass das gemeinsame Singen in der Familie oft nicht mehr zum Kulturgut gehört und damit viele Anreize nicht mehr vermittelt werden. Diese Aufgabe betrachte ich als eine der wichtigsten in meiner Arbeit als Schulmusiker.
Ab August 2016 leitest du den Projektchor von Clouds of Voices für das Pop-Oratorium „Luther – Das Projekt der 1000 Stimmen“. Was wird hier die besondere Herausforderung und was macht das Projekt für dich zu etwas Besonderem?
Als Chorleiter fühle ich mich oft als Gärtner, der eine besondere Landschaft anlegt. Je länger ich einen Chor leite, desto klarer wird meine Vorstellung darüber, welche musikalische Landschaft das sein könnte und wie ich dabei helfen kann, sie herzustellen. Bei dem vorliegenden Projekt weiß ich das noch nicht, weil ich die Sänger nicht kenne und weil ich davon ausgehe, dass die Motive für die Mitwirkung sehr unterschiedlich sein werden. Was mich aber besonders fasziniert, ist die Größe des Projektes und die Erwartung der stimmlichen Gewalt der Ausführenden. Einen solchen Klangkörper habe ich bislang noch nicht erlebt. Und ich freue mich darauf, einen Teil davon auf dieses Klangerlebnis vorzubereiten.
Glaubst du, dass Projekte mit Mega-Chören – wie Luther – die Chorszene verändern werden und, wenn ja, inwiefern?
Wenn ich in die Zukunft blicken könnte, würde ich Lotto spielen…
Du hast ja neben dem Projektchor auch noch andere Projekte. Welche sind das?
Ich bin sehr gerne Schulmusiker und leite an meiner Schule den Oberstufenchor und genieße die gelegentlichen Auftritte mit meinen Musikkollegen, die ebenso wie ich leidenschaftliche Sänger sind. Außerhalb der Schule leite ich den Goldbek-Chor in Winterhude und spiele Akkordeon in einem Tango-Ensemble. Schließlich singe ich in einem fünfstimmigen Chor als Bariton anspruchsvolle Jazz- und Popliteratur und spiele in einem Saxofon-Orchester Klarinette.
Tanja Schneider