Interview

Interview mit Suely Lauar

Anlässlich des 5. Geburtstages von Hamburgs einzigem brasilianischen Chor – dem ChorCovado – trafen wir Suely Lauar zum Interview. Warum die brasilianische Musikerin nach Hamburg kam und was Singen mit Schokolade zu tun hat, lest ihr hier.

Singen macht glücklich! Stimmt das aus deiner Erfahrung?

Das stimmt! Singen macht glücklich – nicht nur wenn man singt, sondern wenn der ganze Körper mit Atmung und allem zusammen in Bewegung steht, dann vergisst man, was man davor getan hat, oder was man danach tun wird. Das Adrenalin geht dann so hoch im Körper. Wenn man von einer Chorprobe oder von einem Konzert nach Hause kommt, braucht man immer etwas Zeit, wieder runter zu kommen. – So als würde man eine ganze Tafel Schokolade essen und diesen Genuss im Mund noch danach haben – genauso ist die Wirkung des Gesangs in unseren Körpern. Das ist tatsächlich so – Singen macht glücklich! Und ich empfehle jedem Menschen zu singen.

Wie bist Du zur Musik gekommen?

Ich war acht Jahre alt. Meine Eltern sind beide Gitarristen. Meine ganze Familie hat Gitarre gespielt und als Kleinkind habe ich auch eine Gitarre in die Hand bekommen. Mit fünf konnte ich schon Gitarre spielen und mit acht habe ich angefangen Klavier zu lernen. Das habe ich dann auch weiter gemacht, bis ich 17 war. Dann habe ich mein Abitur gemacht und Medizin studiert. Dadurch war ich 1 1/2 Jahre sozusagen weg von der Musik, weil ich keine Zeit mehr dafür hatte. Doch dann habe ich gemerkt, dass das für mich gar nicht geht. Ich kümmere mich lieber um die Seele, als um den Körper, weil ich die Seele mit Musik glücklich machen kann. Den Körper kann ich manchmal retten und manchmal nicht. Darum habe ich das Medizinstudium abgebrochen und bin an die Musikhochschule gegangen und bin seit dem mein ganzes Leben bei der Musik geblieben.

Du warst in Brasilien eine sehr erfolgreiche Musikerin. Warum bist Du nach Hamburg gekommen?

Das war 1999. Ich war sieben Jahre lang Chefdirigentin des Chores der Staatsoper in Belo Horizonte und wir haben immer Projekte in Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester gemacht. Für diese Projekte hatten wir immer Gastdirigenten aus der ganzen Welt gehabt. Und in einem Jahr ist ein junger Mann als Vertretung für seinen Professor, der krank war, nach Brasilien gekommen. Dieser junge Mann sollte für zwei Monate in Brasilien bleiben und ist dann aber zwei Jahre geblieben. Nach zwei Jahren gemeinsamer Arbeit haben wir uns verliebt, das war 1999. 2001 bin ich dann mit ihm nach Deutschland gezogen. Seit dem leben wir hier und haben eine Familie gegründet. Wir haben zwei Kinder. Das ist Liebe. – Der Grund war die Liebe.

Was bedeutet Hamburg heute für Dich?

Hamburg ist für mich wie eine zweite Heimat. Musikalisch vermisse ich wenig von dem was ich in Brasilien gemacht habe. In Brasilien habe ich mehr klassische Musik gemacht. Hamburg hat mir die Gelegenheit gegeben, andere Musikstile einfach näher kennen zu lernen. Ich habe in Hamburg 10 Jahre lang beim „König der Löwen“ gearbeitet, wo ich viel mit Belten zu tun hatte. Bei anderen Musicals habe ich Korrepetition oder Stimmbildung gemacht und das Ensemble so für die Bühne vorbereitet.

Hamburg ist für mich eine zweite Heimat. Ich fühle mich hier wohl und musikalisch ist Hamburg ganz reich. Es gibt für jeden Geschmack die passende Gruppe, den passenden Chor oder das passende Ensemble.

5  Jahre ChorCovado – wie kam es zur Gründung des Chores?

Ja, ChorCovado – das war ganz süß. Ich habe in einer offenen Location eine deutsche Frau und eine Brasilianerin getroffen. Die beiden haben mich dann gefragt: Wie wär’s, wenn du einen brasilianischen Chor machst?“ Und ich habe sie angeguckt und gesagt: „Du bist Deutsche, was willst du mit brasilianischer Chormusik?“. Sie antwortete: „Das liebe ich. Ich liebe brasilianische Lieder. Ich liebe den Rhythmus und wenn du bereit bist, einen Chor zu gründen, möchte ich mitsingen.“ Ich habe ihr dann gesagt, dass wir dann schon mehr als zwei Sängerinnen brauchen und sie sagte, sie würde sich in einer Woche melden, wie viele Sänger sie zusammen hat. Ich war ehrlich gesagt ein wenig skeptisch. Aber tatsächlich – nach einer Woche hat sie angerufen. Sie hatte 10 Frauen zusammen und damit haben wir erstmal angefangen. Das erste Jahr haben wir uns alle zwei Wochen für 1,5 Stunden getroffen um zu sehen, wie sich das entwickelt – und mittlerweile sind wir 40 Sänger und Sängerinnen.

Was macht Dir an der Chorleitertätigkeit am meisten Spaß?

Ich liebe Proben. Wenn ich den Sängern und Sängerinnen im Probenraum beibringe, was sie singen sollen, ist das für mich mein Highlight. Auf der Bühne funktioniere ich nur mechanisch. Da muss alles klappen – da bin ich nicht so emotional. Aber im Proberaum, da bekomme ich Gänsehaut, da weine ich vor Freude, wenn etwas klappt.

Was müsste sich ändern, damit mehr Menschen Gefallen am Chorgesang finden?

Ich glaube, wer einmal in einem Chor gesungen hat, will immer weiter singen – egal wie und wo .

Ein Zuschauer, der noch nie gesungen hat, traut sich vielleicht nicht, auf die andere Seite zu wechseln. Da muss man vielleicht etwas Geduld haben mit solchen Personen, die sich vielleicht nicht so trauen. Aber jeder Mensch kann singen. Jeder Mensch hat von Geburt an die perfekte Intonation. Wir verlieren das, wenn wir wachsen. Aber bei der Geburt sind wir alle perfekt.

Es kommen immer mehr Projekte mit Mega-Chören nach Hamburg – wie zum Beispiel „Young Voices“ oder das Pop-Oratorium „Luther“, dass nächstes Jahr in der Barclaycard Arena mit einem Chor von 1.500 Sängern und Sängerinnen aufgeführt wird. Glaubst Du, dass solche Projekte die Chorszene beeinflussen werden und wenn ja, wie?

Nicht wirklich. Ich glaube, diese großen Projekte sind vor allem für die Mitwirkenden ein riesen Spaß. Das Endergebnis ist vielleicht für die Chormitglieder sagen zu zu können „Ich war dabei“. Aber wenn man sich wirklich finden oder fühlen möchte, finde ich kleine Projekte, kleine Gruppen, kleine Chöre viel näher und viel effektiver, als 1.500 Stimmen. Das ist zwar ein Erlebnis, das toll ist, aber das es Auswirkungen darauf hat, was danach die Chorszene in Hamburg bewegt, das glaube ich nicht.

Am 27.11.2016 findet das Jubiläumskonzert von ChorCovado statt. Was erwartet das Publikum?

Wir arbeiten wirklich hart auf dieses Konzert hin. Wir finanzieren uns natürlich selbst. Wir haben keinen Sponsor. Wir haben keine Unterstützung. Wir bezahlen alles von den Einnahmen aus dem Ticketverkauf. Wir haben den kleinen Saal von der Laeiszhalle gemietet, weil wir das mit unserem Budget decken können und wir freuen uns schon darauf, die 640 Gäste begrüßen zu dürfen.

Während des Konzerts machen wir eine Reise durch Brasilien. Wir fangen an mit einem Lied aus 1920 an, in dem die erste Wurzel von Samba drin war und wir beenden das Konzert mit einem ganz aktuellen Lied aus dem Jahr 2016. Wir machen eine Reise durch verschiedene Rhythmen. Manche hat man vielleicht schon einmal gehört hat und andere vielleicht noch nie.

Insgesamt singen wir 23 Lieder. Wir bieten ruhige Balladen mit sehr schönen Melodien – aber selbstverständlich muss man, wenn man einen brasilianischen Chor hat, auch „Girl von Ipanema“ dabei haben. Aber es sind auch einige schöne Überraschungen dabei.

Tanja Schneider

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