Interview

Interview Gerd Jordan und Richard Mohr

Die Schola Cantorosa feiert in diesem Jahr ihren 30. Geburtstag. Der schwule Männerchor feiert dies – unterstützt von fünf Gastchören aus Stuttgart, Münster, Berlin, Leipzig und Hamburg – mit zwei Jubiläumskonzerten am 10. und 11. November im „Tor zur Welt“, Krieterstraße 2 in Hamburg.

Vor der Generalprobe hatten wir die Gelegenheit Chorleiter Gerd Jordan und Vorstandsmitglied Richard Mohr zum Interview zu treffen.

Singen macht glücklich! Stimmt das aus eurer Erfahrung?

Gerd Jordan: Ja, auf jeden Fall. Singen ist gesund, macht glücklich und gute Laune.

Richard Mohr: Und der Stress vom Tag fällt ab, wenn man zwei Stunden gesungen hat.

Gerd Jordan: Außerdem fördert Singen die Gemeinschaft. Man wird zu einer richtigen Familie. Das ist gerade bei der Schola Cantorosa so, dass wir eigentlich eine große Familie sind. Wir unternehmen viel zusammen, gehen viel Weg, machen Partys und wir haben einfach so viele Auftritte und so viele Konzerte. Dadurch sind wir sehr, sehr gut zusammen gewachsen – und das jetzt schon seit 30 Jahren!

 

Wie seid ihr zur Musik gekommen?

Gerd Jordan: Ich bin ja nicht nur Chorleiter, sondern auch Pianist und Organist. Ich habe mit 13 Jahren angefangen, Kirchenmusik zu spielen. Dann habe ich Kirchenmusik und Klavier studiert. Und ich habe immer Chöre gehabt – ob in der Kantorei, Männergesangsvereine, einen Frauenchor, oder ein Quartett, in dem ich mitgesungen habe. Und jetzt leite ich seit 7 Jahren die Schola Cantorosa, bei der ich vorher schon als Pianist dabei war.

Richard Mohr: Ich bin hauptsächlich durch meine Mutter zum Singen gekommen. In der Kirche habe ich damals im Kinderchor angefangen und habe später dann in der Kantorei und im Schulchor gesungen. Singen war eigentlich schon immer Bestandteil meines Lebens.

 

Was müsste sich eurer Meinung nach ändern, damit mehr Kinder und Jugendliche in Chören singen?

Gerd Jordan: Da muss sich erstmal etwas in den Familien ändern. Oft ist es ja so, dass die Kinder von Zuhause nicht genug mitbekommen und Lehrer sind da leider – das weiß ich aus eigener Erfahrung – an vielen Stellen überfordert. Die können den Kleinen nicht das beibringen, was die Eltern versäumt haben anzulegen. Das muss einfach in der Familie passieren. Einfach abends vorm Zubettgehen Kinderlieder singen, gemeinsam mit den Kindern an Heilig Abend singen. Das gemeinsame Singen ist entscheidend. Dann muss das in der Schule weitergehen und in den entsprechenden Chören, in denen man mitsingen möchte.

 

Es kommen immer mehr Projekte mit Mega-Chören nach Hamburg – wie zum das Pop-Oratorium “Luther”, dass im Februar in der Barclaycard Arena mit einem Chor von 1.500 Sängern und Sängerinnen aufgeführt wurde, oder jetzt ganz neu 6K UNITED! bei dem im Sommer nächsten Jahres 6000 Kinder gemeinsam in der Barclaycard Arena singen werden. Glaubt ihr, dass solche Projekte die Chorszene beeinflussen werden und wenn ja, wie?

Richard Mohr: Ich denke, dass das insofern gut ist, weil durch solche Projekte Aufmerksamkeit erzeugt wird. Außerdem können sich dort auch Menschen engagieren, die sonst mit dem Singen nichts zu tun haben und die nicht die Zeit haben immer regelmäßig für Jahre wöchentlich zu Chorproben zu gehen, die aber trotzdem Lust haben, mal zu singen.

Gerd Jordan: Vielleicht verliert man dadurch auch so ein bisschen die Hemmschwelle, mitzumachen. Bei 3000 Leuten fällt einer mehr oder weniger nicht auf, da geht es einfach darum, ein schönes Event zu haben. Die Hemmschwelle, in einen festen Chor reinzukommen ist glaube ich – zumal wenn man dort niemanden kennt – relativ hoch.

 

30 Jahre Schola Cantorosa – wie ist die Idee entstanden und was ist das Besondere an diesem Chor?

Richard Mohr: Die Idee ist eigentlich entstanden, als sich eine Gruppe von schwulen Männern gefunden hatte, die gemeinsam singen wollten. Der ursprüngliche Hintergrund war, dass es Gottesdienste gab, die musikalisch begleitet werden sollten. Daher kommt auch der Name – also Schola Cantorum hießen im Mittelalter die Gesangsschulen in Klöstern. Und in den 80ern musste natürlich das Wort „rosa“ rein. Deswegen haben wir zum 30jährigen Jubiläum auch das rosa Outfit und die rosa Plakate wieder rausgeholt.

Die Idee war damals einfach, sich mit Gleichgesinnten in einem geschützten Rahmen zu treffen und man sich nicht verstellen oder verstecken musste. Schwule Männer gibt es überall – ob das jetzt der Rechtsanwalt oder der Maurer ist.

Ich bin vor 27 Jahren als junger Mann dazu gestoßen. Damals war ich mitten im Comming out. Für mich war die Schola vom ersten Tag an meine Wahlfamilie.

 

War es schwer, Sänger für Schola Cantorosa zu gewinnen?

Richard Mohr: Nein das war gar nicht schwer. Auch in den letzten Jahren konnten wir uns immer über Zuspruch freuen können. Wir sind immer mehr gewachsen. Bis vor ca. 10 Jahren waren wir immer um die 30 aktive Sänger. Mittlerweile sind wir eigentlich immer 40-45, die dann wirklich dabei sind und regelmäßig kommen.

 

Wie ist die Akzeptanz des Chores in der Öffentlichkeit und hat sich das in den letzten 30 Jahren verändert?

Richard Mohr: Das hat sich auf jeden Fall verändert. Unser Publikum ist heute viel breiter aufgestellt. Ob das jetzt Arbeitskollegen sind, Familie, Freund, Leute, die uns irgendwo mal gesehen haben kommen wieder und empfehlen uns weiter. Wir haben zum Beispiel einen sehr großen Fan-Kreis bei den Senioren. Das würde man bei einem schwulen Chor eigentlich eher nicht denken, aber das sind viele Leute die regelmäßig in unsere Konzerte kommen und uns auch weiter empfehlen und dadurch wird das Publikum immer größer. Das war am Anfang mit Sicherheit anders. Da hatten wir überwiegend Szene-Publikum und aus der Familie. Aber Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, war es natürlich noch ein ganz anderes Thema, als Schwuler in die Öffentlichkeit zu treten. Damals war in Deutschland die Hochzeit der Aids-Krise – da hieß es ja „schwul = Aids = tot bestimmt“ – das hat uns natürlich auch mit geprägt. Wir haben auch einige Mitglieder durch HIV und Aids verloren. Aber insgesamt hat das die Gemeinschaft gestärkt.

 

Was waren die Highlights in den letzten 30 Jahren?

Gerd Jordan: Das kann man gar nicht so genau sagen. Von unseren Programmen her ist jedes irgendwie gut und stimmig.

Highlights sind natürlich unsere Reisen nach Amerika gewesen. Und natürlich die Reisen nach Dublin, wo wir immer mit anderen schwul-lesbischen Chören aufgetreten sind, oder auch große Festivals wie zum Beispiel Various Voices, das nächstes Jahr wieder in München stattfindet.

Richard Mohr: Aber genauso sind auch unsere Probenwochenenden, an denen wir unter uns sind, wundervolle Highlights. Es gibt einige Wochenenden, an die wir uns noch Jahre später erinnern.

Gerd Jordan: Um es ganz einfach zu sagen: Eigentlich ist alles, was wir machen, ein Highlight.

 

Was erwartet das Publikum bei den Jubiläumskonzerten am 10. und 11.11.2017?

Richard Mohr: Wir haben uns viele Gäste eingeladen, weil es uns wichtig war, dass wir unseren Geburtstag nicht allein feiern. Wir haben insgesamt fünf Gastchöre, die an den beiden Abenden jeweils mit uns auftreten werden und – genau wie wir – eigene Shows machen und eine Geschichte erzählen.

Die Schola Cantorosa zeigt einen ersten Teil aus unserem kommenden neuen Programm „Gays in Space 2“.

Es wird also ein sehr unterhaltsames und abwechslungsreiches Programm.

 

Tanja Schneider

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